Elektronisches Lesen

»Unterschiedliche Lesegeräte, unterschiedliches Lesen?«

Im Rahmen der Frankfurter Buchmesse stellte der Forschungsschwerpunkt Medienkonvergenz der Universität Mainz die Studie „Unterschiedliche Lesegeräte, unterschiedliches Lesen?“ vor. Ausgangspunkt der Studie war die Frage, ob es messbare Unterschiede zwischen dem Lesen vom Bildschirm und dem Lesen gedruckter Buchstaben gibt. Mit einer Kombination aus Eyetracking (Messung der Augenbewegungen) und EEG wurde das Leseverhalten bei verschiedenen Oberflächen analysiert.

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Die Studienergebnisse in Kürze:
  • Hirnaktivität: Die Auswertung des EEG zeigte, dass die durchschnittliche Aktivierung im Thetaband über die verschiedenen Lesegeräte hinweg vergleichbar ist. Dennoch verursachte das Lesen auf Tablet-PC signifikant weniger Aufwand als das Lesen auf einem E-Ink-Reader oder auf Papier. Zwischen Papier und E-Ink wurden hingegen keine statistisch relevanten Unterschiede gemessen.
  • Geschwindigkeit: Unabhängig von der Leseoberfläche wurde die Texte ähnlich schnell gelesen. Hier zeigten sich jedoch Vorteile für den Tablet-PC bei älteren Probanden: Sie lesen auf dieser Oberfläche schneller als auf anderen.
  • Verständnis: Die Texte wurden auf allen Medien gleich gut behalten und verstanden.
  • Wohlfühlfaktor: „So gut wie alle Probanden haben ausgesagt, dass für sie das Lesen eines gedruckten Buchs am schönsten ist. Dieser subjektive Eindruck war dominierend. Er stimmt aber nicht mit den Daten überein, die wir in der Studie erhoben haben", so Prof. Dr. Matthias Schlesewsky, Leiter der Arbeitsgruppe "Neuronale Grundlagen Sprachlicher Universalien" am Department of English and Linguistics der Universität Mainz, der den Aufbau der Studie gemeinsam mit Prof. Dr. Stephan Füssel konzipiert und den Ablauf durchgeführt hat

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Versuchsaufbau:
  • Texte: je Proband neun Texteunterschiedlicher Komplexität (3 Texte pro Gerät).
  • Leseoberflächen: E-Book-Reader (Kindle 3), Tablet-PC (iPad), Papier.
  • Größe der Stichprobe: 30 Probanden, verteilt auf eine Juniorengruppe (20 Teilnehmer; Durchschnittsalter: 26 Jahre) und eine Seniorengruppe (10 Teilnehmer; Durchschnittsalter: 64 Jahre). Eine gängige Stichprobengröße in der neurolinguistischen Forschung.
  • Homogenität der Daten und statistische Validität: Alle Daten sind statistisch korrekt ausgewertet worden und signifikant. Die Auswertung der EEG-Daten ergab einen altersunabhängigen Effekt und beruht somit auf einer hinreichend großen Stichprobe. Selbst für die noch relativ kleine Stichprobe älterer Versuchsteilnehmer konnten bereits signifikante Ergebnisse für die Dauer der Fixationszeit gemessen werden. Das von uns genutzte statistische Auswertungsverfahren überprüft die Varianz der Daten und erzeugt nur dann signifikante Ergebnisse, wenn die Daten wenig streuen, d.h. wenn das notwendige Maß an Homogenität vorliegt.
  • Vergleich der Ergebnisse nach Alter: Bereits anhand der wenigen älteren Teilnehmer lässt sich ein Alterseffekt feststellen. Die Studie wird zudem weitergeführt und die Anzahl der älteren und jüngeren Versuchsteilnehmer noch erhöht.
  • Messmethodik: Die EEG-Messung wird seit den 1980er Jahren für die neurolinguistische Forschung und die Blickbewegungsmessung seit Mitte der 1970er Jahre in der psycholinguistischen Forschung breitflächig eingesetzt. Beide Methoden sind also erprobte Verfahren. Zudem wurden in einem neuen kombinierten Verfahren Korrelationen zwischen den Augenbewegungen und dem EEG synchron gemessen und ausgewertet. Dieses neue Verfahren wurde bereits von uns in früheren Studien und von anderen Forschern erfolgreich angewendet.

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Abstract des Journalbeitrag:

In the rapidly changing circumstances of our increasingly digital world, reading is also becoming an increasingly digital experience: electronic books (e-books) are now outselling print books in the United States and the United Kingdom. Nevertheless, many readers still view e-books as less readable than print books. The present study thus used combined EEG and eyetracking measures in order to test whether reading from digital media requires higher cognitive effort than reading conventional books. Young and elderly adults read short texts on three different reading devices: a paper page, an e-reader and a tablet computer and answered comprehension questions about them while their eye movements and EEG were recorded. The results of a debriefing questionnaire replicated previous findings in that participants overwhelmingly chose the paper page over the two electronic devices as their preferred reading medium. Online measures, by contrast, showed shorter mean fixation durations and lower EEG theta band voltage density – known to covary with memory encoding and retrieval – for the older adults when reading from a tablet computer in comparison to the other two devices. Young adults showed comparable fixation durations and theta activity for all three devices. Comprehension accuracy did not differ across the three media for either group. We argue that these results can be explained in terms of the better text discriminability (higher contrast) produced by the backlit display of the tablet computer. Contrast sensitivity decreases with age and degraded contrast conditions lead to longer reading times, thus supporting the conclusion that older readers may benefit particularly from the enhanced contrast of the tablet. Our findings thus indicate that people's subjective evaluation of digital reading media must be dissociated from the cognitive and neural effort expended in online information processing while reading from such devices

 

mail Kontakt


Univ.-Prof. Dr. Stephan Füssel
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Institutsleiter

Institut für Buchwissenschaft
D 55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-22580
Fax +49 6131 39-25487
Email

 

Univ.-Prof. Dr. Matthias Schlesewsky
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Leiter Arbeitsgruppe „Neuronale
GrundlagenSprachlicher Universalien“
Department of English and Linguistics
D 55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-23478
Fax +49 6131 39-23836
Email

 

Dr. Franziska Kretzschmar
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Arbeitsgruppe „Neuronale
Grundlagen Sprachlicher Universalien“
Department of English and Linguistics

General Linguistics
D 55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-36248
Fax +49 6131 39-23836
Email

 

Dominique Pleimling M.A.
Bastei Lübbe AG
Cheflektor Eichborn Verlag
D 51063 Köln

 

Links Weiterführende Links


» Journalbeitrag auf PLOS ONE vom 6.2.2013
» Beitrag im ARD-Nachtmagazin (Das Erste) vom 13.10.2011
» Kulturgespräch in SWR2 am Morgen: Interview mit Prof. Füssel
» Beitrag in Bloomberg Business Week vom 19.4.2012
» Beitrag in Spiegel Online vom 13.4.2012
» Beitrag im San Francisco Chronicle vom 21.4.2012
» Beitrag in der FAZ vom 22.10.2011 und Richtigstellung zur darin geäußerten Kritik
» Beitrag auf boersenblatt.net am 12.10.2011
» Beitrag in Süddeutsche Zeitung Online vom 13.10.2011
» Beitrag auf buecher.at am 13.10.2011
» Beitrag auf bildungsklick.de am 12.10.2011
» Beitrag in der Badischen Zeitung vom 15.10.2011
» Beitrag auf Mannheimer Morgen / morgenweb.devom 14.10.2011

 

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icon_file_pdf_16x16 Journalbeitrag "Subjective Impressions Do Not Mirror Online Reading Effort: Concurrent EEG-Eyetracking Evidence from the Reading of Books and Digital Media" in: PLoS ONE, 8(2), 2013: e56178. DOI: 10.1371/journal.pone.0056178