22. Januar: Expertenhearing "Auswirkungen der Medienkonvergenz für neue Medien im Netz"

„Auswirkungen der Medienkonvergenz für neue Medien im Netz – Social Networks, News Agents, Games“
22. Januar 2010

Referenten und Themen:

Das zweite Expertenhearing des FSP Medienkonvergenz zum Thema „Auswirkungen der Medienkonvergenz für neue Medien im Netz – Social Networks, News Agents, Games“ kann als voller Erfolg verbucht werden. Die drei Experten aus der Praxis konnten verschiedenste Facetten der Internetkommunikation und Internettechnik darlegen und somit wichtige Fragen aufwerfen.

Nach einer Einleitung von Herrn Prof. Dr. Stephan Aufenanger sprach zunächst Ossi Urchs, Inhaber F.F.T. MedienAgentur. Sein Thema waren die Medienkonvergenz und soziale Netzwerke. Urchs versteht die Medienkonvergenz als bezeichnend nicht nur für eine neue Welt der Mediennutzung, sondern eben auch als Veränderung der Gesellschaft und hat somit starke Überschneidungspotenziale mit unserem Verständnis von Medienkonvergenz. Als drei Grundlagen der Konvergenz nannte Urchs: „Was digital geht, wird digital! – Was direkt geht, wird direkt! – Was netzt werden kann, wird vernetzt!“. Er nennt das Internet ein neues Universalmedium und ist der Meinung, dass alles, was mit Digitalisierung zu tun hat, auch einen Preisverfall durch den verstärkten Wettbewerb erfahren wird. Es treffen in dem WWW alte und neue Geschäftsmodelle aufeinander, die inkompatibel seien. Neben Problemen in der Unternehmenskultur lösen sich im digitalen Zusammenhang die Vermittlerfunktionen auf, die Gatekeeper-Funktion der Massenmedien muss angezweifelt werden. Eine Wirtschaft der (Informations-)Knappheit wird mehr und zu einer Wirtschaft des Überflusses, Vernetzungen werden immer direkter und umfangreicher – eine Neupositionierung der Akteure in jedem einzelnen Bereich unverzichtbar.

“The Web brings the workings of society closer to the working of our minds.” (Tim Berners-Lee)

Das bereits in der Idee der Entwicklung des Internets vorhandene Potenzial wird heute („Web 2.0“) zur erlebten Realität. Das Internet als Hypermedium, das zugleich interaktiv und personalisiert ist, ermöglicht den Austausch (von persönlichen Medien) und die Interaktion der Nutzer untereinander, die durch keine regelnde Instanz beschränkt wird. Die Bedeutung des Web 2.0 für den Einzelnen ist somit genau so unterschiedlich, wie die Inhalte, die ausgetauscht werden.
Immer wieder fiel – beim ersten und beim letzten Vortrag – der Begriff der „disruptiven“ Entwicklungen, die unser Medienverständnis verändern (müssen).
Social Networks sind für Urchs nicht nur „Soziale Netzwerke“, sondern vielmehr „Netzwerke des Wissens“ („Consumer Knowledge Communities“). In dieser Wissensgemeinschaft sei der Besitzer des Wissens nicht ausschlaggebend, wichtig ist vielmehr die Methode, auf die Wissen gewonnen wird: Ein auf Austausch beruhender Wissenserwerb mache die Netzwerke im eigentlichen Wortsinn zu „Social Networks“, sozialen Netzwerken. Wieder verweist Urchs darauf, dass die Filterfunktion der Medien/ Medienmacher wegfalle, vielmehr ist es nun die Aufgabe der Nutzer zu bewerten, welche Informationen für sie wichtig sind (diese Thematik wird von unserem Projektbereich „Eigendynamiken und Wechselwirkungen in konvergenten Medienwelten – Konsequenzen für Produkte, Produktion, Märkte, Nutzer und Regulierung“ bearbeitet).
Als Fazit resümierte Urchs, dass Web 2.0 keine neue Technologie ist, kein genuin neues Geschäftsmodell und kein neuer Design-Trend, das „web 2.0 ist ein neuer Lifestyle, eine neue Art des Welt- und Selbstverständnisses von und für Digital Natives“.
Da diese Neue Welt mit einer eigenen Sprache einhergehe und eigenen Kommunikationsregeln, stelle sich aus unternehmerischer Perspektive die Frage, wie dieser Lifestyle bedient werden kann. Urchs prognostiziert, dass das traditionelle E-Commerce durch ein Social E-Commerce ohne feste Strukturen ersetzt werden wird. Die Struturen des letzteren seien flexibel, verändern sich im Prozess und Kunden können ihre eigenen Inhalte einbringen („Netzwerk-Effekt“). Der Wert eines Netzwerks steigt somit exponentiell zur Anzahl der Nutzer („Metcalfe’s Law“).
Wichtig ist für Urchs in diesem Zusammenhang die Bewegung hin zu einem „free culture“ (auch „free business“), einer „Kostenlos-Struktur des Internets“. Google ist es beispielsweise gelungen, durch kostenfreie Zusatzangebote außerhalb des Kerngeschäfts die eigene Marktmacht zu stärken – und hierdurch andere ehemals profitable Industrien zu so genannten „zero billion dollar industries“, also unprofitabel, zu degradieren.
Jegliche zukünftige strategische Unternehmensentscheidung muss auf dieser Grundlage getroffen werden. Er betont, dass „open source“ nur der Anfang ist und dass die Bewegung zum „open everything“ geht.
Der „kategorische Imperativ“ für das E-business ist dabei: Network, Peer, Share.
Mehr und mehr bilden sich unterschiedliche Bereiche im Internet für unterschiedliche Nutzungen heraus – die „Wolke Internet hat sich in verschiedene Wölkchen differenziert“.

“Die technische Konvergenz wird von einer Diversifizierung der Nutzung begleitet.”

Nicht zuletzt ist Urchs Fazit, dass es eine technische Konvergenz gibt, die von einer Diversifizierung der Nutzung begleitet wird. Ein Universalmedium werde perspektivisch für unterschiedliche Aufgabenbereiche entsprechend konfiguriert, das „Real World Web“, „Data Portability“ und „Cloud Computing“ werden so wichtige Zukunftsthemen. Die Diskussion im Anschluss kreiste hauptsächlich um die Frage, ob denn die Angebote wirklich „free“ für den Nutzer bleiben würden oder nicht bzw. welche Rolle dabei eine dynamische Wertsteigerung des Angebots habe.

Nach Ossi Urchs sprach Dr. Stephan Roppel, Leiter der Unternehmensentwicklung und Geschäftsführer von eLab, Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. Er stellte zunächst das gesamte Unternehmen vor mit den Zweigen, die das Unternehmen kennzeichneten – die klassischen Bereiche Belletristik & Sachbuch, Bildung sowie Regionalpresse (und DIE ZEIT überregional). Das vierte Geschäftsfeld verfolgt eine Digitalisierungsstrategie auf hohem Niveau: Neben dem „Fitmachen“ bereits bestehender Unternehmensbereiche für die „digitale Revolution“ konzentriere man sich hier auf die Gründung eines neuen Geschäftsbereiches; dabei werden Internetunternehmen entweder im hauseigenen eLab selbst konzipiert, als Networks komplett gekauft oder es wird im Bereich Ventures eine Beteiligung angestrebt.
Für Dr. Roppel gibt es drei relevante Konvergenzprozesse: die Branchenkonvergenz, die Wertschöpfungsketten-Konvergenz und die Konvergenz der Anwendungen und Dienste. Neben der inhaltlichen und geschäftsmodellspezifischen Ausnutzung der Konvergenz in den konkreten Medien ist für Herrn Dr. Roppel Forschung im Bereich „Authoring“ für Internet-fähige Distributionsformen von besonderem Interesse.

Nach der Mittagspause sprach Dr. Josef Schäfer, Geschäftsführer Vodafone D2 GmbH. Der promovierte Physiker gab uns einen deutlich technisch geprägten Blick auf die Internetwelt von der Sicht eines „Carriers“, wie er den Dienst, den Vodafone ausführt, bezeichnet. Dabei war das Thema vielfach, dass es seines Erachtens eine Schieflage beim Zahlungswillen der Endkunden (aber auch bei Nutzern der Datenleitungen/ Knotenpunkte, wie Google) gibt. Er betonte, dass Deutschland dringenden Aufholbedarf beim Ausbau des Breitbandnetzwerks, aber auch der Glasfaserleitungen habe.
Da der Datenverkehr ständig zunehme, sei ein Ausbau die einzig logische Konsequenz. Die Verlegung der Leitungen sei leider mit erheblichen Kosten verbunden; Staaten wie beispielsweise Südkorea unterstützen den Ausbau mit staatlichen Fördermitteln. Langfristig werde aber auch in Deutschland ein schneller Anschluss für alle Haushalte die Norm sein.

Die Abschlussdiskussion kreiste – von Prof. Dr. Kerstin Mayrberger und Prof. Dr. Oliver Quiring moderiert – um die Begriffe und die Definition von Digital Natives und Digital Immigrants, aber vor allem um die Frage, ob die technische Entwicklung die gesellschaftlichen Veränderungen bewirkt oder vice versa. Da gingen die Meinungen deutlich auseinander, obwohl klar geworden ist, dass sowohl technische Voraussetzungen als auch ein spezifischer Bedarf (Beispiel Napster und der erhöhte Bedarf nach schnelleren Internetverbindungen) hier eine Rolle spielen.

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